Die Frau und das Massaker vom Tiananmen-Platz

Irgendwie zweifle ich an der Übersetzung, an meinem Englisch oder einfach an der Situation. Wir sind im historischen Bergdorf Chuandixia, ca. 90 km westlich von Beijing. Das Dorf liegt in hügeligem Gebiet, Teile davon sind zu Fuss nur schwer zugänglich, es steht unter Denkmalschutz und ist ein bewohntes Museum. Chuandixia ist bekannt für die noch erhaltenen Graffitis und Slogans aus der Zeit der Kulturrevolution. Wir sind im oberen Teil des Dorfes, in einem der letzten Häuser. Eine ältere Frau hat uns singend in den Innenhof ihres Hauses eingeladen. Wir sitzen alle auf den kleinen Hockern, die Sonne brennt, es gibt Grüntee. Die Frau spricht – lange, ohne Pause, voller Emotionen. Kai unser Begleiter kommt fast nicht nach mit übersetzen. Sie wohnt hier seit vielen Jahren mit ihrem 26jährigen Sohn. Er ist schwer depressiv, liegt fast den ganzen Tag im Bett. Vor sechs Jahren hat sie in Beijing den Zugang zu Gott gefunden. Er macht ihr Leben erträglich – sie hat wieder Lebensfreude. Sie singt jeden Tag, dankt für ihr Glück und die Kraft die sie so bekommt.
Wir Fragen nach Kirche nach Gottesdienst und wie das Christentum in China heute praktiziert wird. Alle paar Wochen geht sie am Sonntag zu Fuss ins Dorf und fährt dann mit dem Bus mehrere Stunden bis zur nächsten Kirche. Am Abend ist sie wieder zurück. Sie verteilt uns kleine Büchlein, mit Bildern von christlichen Motiven – Weihnachten, Ostern – es sind die gleichen Büchlein die es auch in Europa gibt. Uns begleitet eine amerikanische Familie die in England lebt: «In den USA wäre die Frau ein Held – und viele würden ihr folgen» meint David, der Vater und schmunzelt.

«Hier leben seit je her Leute die flüchten oder sich verstecken mussten», erzählt die Frau weiter. Das die Mao-Graffitis gerade hier sind ist eben kein Zufall. 1989 nach den Demonstrationen auf dem Tiananmen-Platz sind die Aufständischen hierher nach Chuandixia geflüchtet. Diejenigen die dem Massaker entkommen sind haben sich hier in die Berge abgesetzt. «Öffentlich werde nicht darüber gesprochen» erzählt die Frau hektisch, aber auch etwas leiser. Sie kennt die Leute von damals, die auch heute noch hier leben. Chuandixia ist ein guter Ort für Leute die untertauchen müssen. Chuandixia ist nach wie vor ein Zufluchtsort für Leute die einen Unterschlupf brauchen. «Es ist eine alte Weisheit aus China» sagt die Frau, uns kommt sie aber vertraut vor – «hast du Probleme, brauchst du Schutz, gehe in die Berge da findest du Geborgenheit.»

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